Ich weiß noch gut, mit welchem Staunen ich bei meinen ersten Pullovern und Strickjacken mitverfolgt habe, wie aus einem widerwilligen Lappen plötzlich ein Kleidungsstück wird. Als Anfängerin habe ich mich, wie so viele, an einfache Raglankonstruktionen gehalten, die in einem Stück von oben nach unten gestrickt werden und bis zur Stilllegung der Ärmelmaschen immer etwas unförmig wirken. Sobald aber die Ärmelöffnung erkennbar ist – hey, ein Pullover!
Nun ja, seit meiner Anfängerzeit sind nun ein paar Jährchen ins Land gegangen und so langsam hat sich die Aufregung etwas gelegt. Raglan von oben oder auch von unten gestrickt ist nichts mehr, wofür ich die Katze mit Hurra-Rufen vom Sofa jage. Deshalb werde ich mittlerweile immer dann hellhörig, wenn mir mal eine ungewöhnliche Pullover- oder Jackenkonstruktion unterkommt. Den Pullover aus der DROPS Frühlingskollektion des letzten Jahres zum Beispiel fand ich großartig, weil er von der Ausschnittmitte nach außen hin gestrickt wird. Hat man nicht jeden Tag.
Ein anderes Modell, das mich schon lange gereizt hat, ist die Strickjacke „Old Romance“ von Joji Locatelli. Hier werden zuerst die beiden Lace-Streifen gestrickt, die vom Ausschnitt bis zu den Handgelenken verlaufen. Dann werden an ihren langen Seiten Maschen aufgenommen und in einem Stück für Ärmel und Rücken beziehungsweise Ärmel und Front runtergestrickt. Senkrecht gestrickte Ärmel hatte ich tatsächlich noch nie. Auf gehts!
Die Jacke macht definitiv Laune – zumindest am Anfang. Ich habe mir für das Projekt die DROPS Belle ausgesucht, weil sie robust und trotzdem sommertauglich ist. Die Lace-Streifen stricken sich mit dem nur lose verzwirnten Garn erstaunlich gut und erfreulich schnell. Auf den Mäusezähnchenrand verzichte ich, das ist mir dann doch zu romantisch. Ein einfacher Knötchenrand durch kraus rechts gestrickte Randmaschen ist aber auch sehr schön.
Die schlaue Designerin lässt die Lace-Streifen mit einem kleinen Trick etwas plastisch hervortreten: Die Maschen für den Hauptteil werden auf der verkehrten Seite der Lace-Stücke mit dem gleichen Garn aufgenommen, erst dann strickt man in der Hauptfarbe los.
Und dann beginnt die Durststrecke der laaangen Reihen. Von Handgelenk zu Handgelenk reichen sie und wollen kein Ende nehmen. Bei der Vorderseite verteilt sich das Elend wenigstens auf zwei Teile und spart beim Ausschnitt ein paar Maschen.
Kleiner Lichtblick: Die langen Reihen sind relativ schnell geschafft, denn man muss ja mit ihnen nur den Ärmelumfang abdecken. Ein paar Zentimeter auf der Vorderseite, ein paar Zentimeter auf der Rückseite, der Lace-Streifen spendiert auch nochmal etwas Strecke und schon ist es geschafft und man darf die Ärmelhälften per Maschenstich verbinden. Waaas? Maschenstich?! Uff …
Hier kann ich euch nur Antjes hervorragende Anleitung ans Herz legen, die ich mittlerweile Wort für Wort auswendig kann. Ich würde aber auch niemanden verpetzen, der die Ärmelnähte bei dieser Strickjacke einfach per 3-Needle-Bind-Off schließt.
Wenn die Ärmel geschafft sind, geht es nur noch schnöde glatt rechts weiter, bis die gewünschte Länge erreicht ist. Ein hervorragendes Projekt für Hörbücher, lange Telefonate oder einen Serienmarathon. Wenn das erledigt ist, kommen nur noch Bündchen dran. Als ich an diesem Punkt war, hatte ich diesen kurzen Moment, den ich eigentlich immer bei typischen Raglan-Projekten habe: Hurra, der Hauptteil ist fertig – auf zu den Ärmeln! Denkste. Die Ärmel sind ja schon fertig.
Die fertige Jacke ist sehr locker geschnitten, ähnlich wie man es von Jojis beliebtem „Boxy“ kennt. Das war mir vorher nicht ganz klar, gefällt mir im Nachhinein aber richtig gut. So gut, dass ich am liebsten noch ein Modell aus der in der Anleitung empfohlenen Madelinetosh Tosh Merino Light oder vielleicht aus DROPS Flora stricken möchte, in das man sich dann so richtig einkuscheln kann!
Anleitung: „Old Romance“ von Joji Locatelli, Größe S
Garn: DROPS Belle, 7× Fb. 06 silbergrau, 2× Fb. 01 weiß
Nadeln: KnitPro Nova Metall Rundstricknadel 3,5 mm und KnitPro Zing Nadelspiel 3,0 mm
Modifikationen: keine Ärmelbündchen, Ärmel waren schon lang genug
Die Jacke ist sehr schön geworden. Die Lace – Streifen sind ein Hingucker und wertet die Jacke auf, Das könnte ich mir noch besser vorstellen in den Farben Rot – Schwarz.
Ich staune, Du strickst sogar sehr fleißig im Sommer, wo ich jetzt überhaupt keine Lust habe.
Respekt, Respekt!
Das ist ein schöner Ansatz, mit dem Lace-Streifen…
Da muß ich drüber nachdenken. Ich sehe schon Granny/Strick/Kombinationen, oder gar was mit Stoff und Garn…
Danke für die Inspiration!
Übrigens finde ich das Jäckchen toll, und ich bewundere Deine Geduld!
LG
Ohhhh wie schön. Könnte mir gut vorstellen, den Laceteil in einem schönen handgefärbten Garn zu machen
Sehr tolle Inspiration.
Viele Grüße
So wie du die Sachen vorstellst, bekomme ich richtig Lust, die Anleitung auch mal zu probieren, obwohl sie bisher kein Wunschprojekt von mir war … jetzt muss ich allerdings erst einen Geburtstagspulli für die Tochter und einen Hosenmatz für das Baby einer Reitfreundin stricken (das Glückskind-Jäckchen ist schon fertig).
Bin dann mal bei Ravelry nach der Anleitung schaunen …
Liebe Grüße
Moni
Hallo Nina, die Jacke ist toll geworden.
ich möchte sie mir auch stricken, habe aber schon etwas Bedenken wegen der englischen Anleitung.
kriegt man das hin?
oder ist das sehr schwierig?
LG Heike
Hallo Heike,
ich habe mir die Anleitung gerade noch mal angesehen. Joji beschreibt alles sehr detailliert, so dass ich denke, dass du das auch hinkriegen wirst, wenn dir englische Anleitungen ungewohnt sind. Ein Strickwörterbuch hilft bei den unbekannten Begriffen (z.B. hier: https://www.garnstudio.com/glossary.php?langf=us&langt=de), am besten schreibst du dir vor Strickbeginn die Übersetzungen mit spitzen Bleistift in die Anleitung, dann hast du keinen Stress beim Stricken.
Ich habe es bei meinen ersten englischen Anleitungen oft so gemacht, dass ich die unbekannten Begriffe einfach wörtlich bei YouTube ins Suchfeld eingegeben und mir dann in den Videos angeschaut habe, was da gemeint ist. Das hilft ungemein. 😉
Und wenn alle Stricke reißen, helfe ich auch sehr gern weiter!
oh… vielen Dank… das ist super lieb von dir… dann bestelle ich gleich mal Wolle
Hallo Nina, wunderschöne Jacke. Die Anleitung habe ich mir gleich besorgt nun eine Frage zur Wolle in der Anleitung steht ein 1/2 Strang von der Madelinetosh Wolle zunehmen. Und für den Einsatz würdest du dazu wieder auf die Belle Wolle zurückgreifen? L.G. Simone
Korrektur von mir 1/2 Strang für den Einsatz und den Rest auch in Madelinetosh Wolle oder lieber eine festere Wolle ?
Danke für eine schnelle Antwort und l.G.
Simone
Hallo Simone,
meiner Meinung nach sind Madelinetosh (z.B. Tosh Merino Light) und Drops Belle beide sehr gut für diese Jacke geeignet. Kommt einfach nur drauf an, ob sie eher leicht (Tosh) oder etwas robuster sein soll (Belle). Nur kombinieren würde ich die beiden hierfür nicht, dafür sind sie doch von der Textur her zu unterschiedlich.
Wenn du ein Mittelding zwischen den beiden Garnen suchst, kann ich auch die Drops Flora sehr empfehlen. Die hat zwar eine andere Maschenprobe als die Belle, ist dafür aber auch etwas geschmeidiger. 😉
Viel Spaß beim Stricken!
Nina