Wie überall, gibt es ja auch beim Stricken mehr oder weniger langlebige Trends und Moden. Und wenn man sich bei Ravelry umschaut, scheint das Marlen (auf deutsch etwa melieren) derzeit der Hit zu sein. Völlig zu Recht, wenn ihr mich fragt, marlen macht nämlich Spaß und führt zu sehr schönen und oft auch sehr individuellen Strickstücken, in denen Lieblingsfarben und praktischerweise auch tausend kleine Reste zu einem Ganzen verschmelzen.
Ein paar Beispiele zum Anfixen und überzeugen? Gern. Der Dip Dye Sweater und auch die Dip Dye Jacke von Camilla Vad (hier gehts zu Ninas Version), die Vanilla Fog Mütze von Andrea Mowry und der Marled Mania Sweater, Marled Magic Shawl und Dotted Rays – Speckled Fade von Stephen West.
Man kann die bunte Technik aber auch relativ leicht in eigentlich ein- oder zweifarbige Projekte, wie etwa unseren Hosenmatz, einbauen und sie so noch fröhlicher und individueller machen. Wie das geht und was es mit den Marl-Mätzchen auf sich hat, zeige ich heute 🙂
Was ist das eigentlich?
Eigentlich ist es sehr einfach: beim Marlen strickt man doppelfädig, das heißt, man hält zwei verschiedenfarbige Fäden zusammen und verstrickt sie gleichzeitig. Die bunteren Farbeffekte kommen daher, dass man einen oder auch beide Farben zwischendrin auswechselt. Dabei hat man verschiedene Möglichkeiten.
Die einfachste und schlichteste ist, das ganze Projekt über Farbe A mit Farbe B zusammen zu verstricken. Je nach Geschmack und Kontrast zwischen A und B kann man subtile oder sehr deutliche Melierungen erzeugen – beides ist optisch sehr ansprechend. Ein schönes Beispiel ist der No Frills Sweater von PetiteKnit (schaut euch mal die 700 Projekte an, da sind tolle und auch ungeahnte Kombinationen dabei).
Mehr Abwechslung, aber dennoch einen gedeckten Verlauf, bekommt man, wenn man eine Farbe konstant beibehält und die Partner regelmäßig wechselt. Also nach dem Schema AB, AC, AD und so weiter. Schönes Beispiel: die Marled Goodness Mitts von Sasha Ball Rives oder die oben verlinkte Vanilla Fog Mütze von Andrea Mowry.
Noch bunter, aber dennoch faszinierend harmonisch mit gleitenden Übergängen wird es, wenn man abwechselnd die eine und dann die andere Farbe austauscht – nach dem Schema AB, BC, CD, DE und so weiter. Bestes Beispiel: Samen von Stephen West. Tipps zur Farbauswahl bei solchen Projekten findet ihr hier.
Und wenn man es mal so richtig eskalieren und schillernd bunten Dampf ablassen will, kann man natürlich auch völlig wild durcheinander DP, XC, AI, WQ stricken. More is more! Make it your own!
Außerdem ist die Marl-Technik, wie auch zuvor schon Brioche, eine so hervorragende Legitimation, sich all die bunten Einzelstränge, die das Herz begehrt, zu gönnen, dass man sie sich einfach nicht entgehen lassen sollte 😉 Also auf!
Wenn man die Technik in ein eigentlich einfarbiges Projekt einbauen möchte, sollte man Folgendes beachten:
- die linke Seite sieht beim Marlen meist gleichmäßiger aus, die Farben verschwimmen hier besser und man sieht die Übergänge weniger deutlich
- Vorsicht bei Übergängen auf und von glatt links gestrickten Bereichen
- (fast) kein Mensch strickt gern ein ganzen Projekt aus nur linken Maschen (muss er aber auch nicht)
Links gewinnt
Obwohl sonst gerade bei Pullovern so beliebt, wirkt glatt rechts Gestricktes beim Melieren irgendwie unruhiger und nicht so gefällig wie kraus rechts, Perlmuster oder glatt links. Es lohnt sich also glatt rechts gestrickte Passagen in der auserwählten Anleitung durch glatt links zu ersetzen.
Achtung Übergang
Wenn man von Bündchen oder anderen Struktur-Elementen auf glatt links wechseln will – ganz besonders, wenn man gleichzeitig auch die Farbe wechselt – sollte man immer eine Reihe rechts als Puffer einplanen. Also zum Beispiel: Bündchen, eine Reihe rechte Maschen, glatt links. Oder anders herum: glatt links, eine Reihe rechte Maschen, Bündchen. Die dabei entstehende Krausrippe kaschiert die Köpfe der letzten linken Maschen auf der Außenseite perfekt – innen ist der Übergang sichtbar.
Links ist auch nur rechts von hinten
Ähem. Doch wirklich. Müsste ich glatt links aus linken Maschen stricken, hätte ich vermutlich nach ein paar Zentimetern eine ganz tolle neue Idee für ein anderes Projekt und müsste dringend weg. Aber glücklicherweise kann man für glatt links auch einfach rechte Maschen „auf der Innenseite“ stricken. Schnippchen!
Beim Hosenmatz haben ich es so gemacht: Erst das Bauchbündchen (noch einfädig, unge-marlt). Dann eine Reihe rechts mit der ersten Farbkombination. Am Rundenanfang gewendet – falls ihr euch das nicht vorstellen könnt: es ist genau wie bei verkürzten Reihen – und auf der Innenseite weiter rechte Maschen gestrickt, die von außen, dank genialer Vorsehung der Strickgötter, als linke Maschen erscheinen.
Auf der Innenseite stricken kann man übrigens auf zwei verschiedene Arten. Entweder „hinten-innen“, das ist die Ausgangsposition nach der Wende. Oder man krempelt das ganze Ding um, sodass die Innenseite außen ist, und strickt dann wie gewohnt „vorne-außen“.
Spätestens bei kleinen Durchmessern ist die zweite Variante deutlich angenehmer. Achtung: die Enden der ein- und ausgewechselten Fäden müssen dann auch nach außen und nicht, wie gewohnt, nach innen hängen.
Die erste rechte Masche auf der Innenseite habe ich dabei mit insgesamt vierfachem Faden gestrickt, indem ich den (doppelten) Anfangsfaden für diese eine Masche mit dem (doppelten) Arbeitsfaden zusammengehalten habe.
Auf die Art kann man das an der Wendestelle entstehende Löchlein später ganz leicht zuziehen und unauffällig um die Ecke bringen 🙂
Später fiel mir dann auf, dass es noch eine viel einfachere Möglichkeit gibt, auf einen glatt-linken Hauptteil umzusteigen: Man strickt das ganze Teil einfach von vornherein auf links! Bündchenmuster sind ja ohnehin reversibel, und das gilt auch für viele andere Strukturmuster, wie zum Beispiel kraus rechts und Perlmuster.
Beim Übergang zu den Beinbündchen habe ich daher einfach nach der letzten Runde rechts (von außen links) eine runde links (von außen rechts) gestrickt, dann zum einfarbigen und -fädigen Bündchengarn gewechselt und mein Bündchen drangesetzt. Keine Wende, kein Loch, kein Gefummel mit doppeltem Doppelfaden!
Und das Ergebnis seht ihr hier – hübsch, oder?
Anleitung: Hosenmatz von Mayumi Kaliciak und mir; Größe: Neugeboren, aber mit dickerem Garn, also eher 4-7 Monate
Garn: 1× DROPS Merino Extra Fine, Fb. 08m, hellbeige meliert und kleinere Reste von Malabrigo Lace, Sapphire Green, Verde Esperanza und Emerald, sowie Madelinetosh Prairie, Hosta Blue
Nadeln: KnitPro Zing und Nova Rundstricknadeln 3,5 mm in 25 cm und 40 cm Länge
Wow, wirklich schön geworden!
Seit dem Marled Magic Mystery KAL letztes Jahr bin ich ein riesiger Fan von Marlen (geniales Wort). Es ist wie Malen (eben Malen mit “r”, hihi) oder Aquarellieren mit Wolle. Außerdem einfach prima um Wollreste zu verwerten. Oder eben wunderschöne Einzelstränge in auffälligen Farben. Einfach ein Riesenspaß. Und irgendwie auch ein Mystery Projekt an sich, weil man sich überraschen lässt vom Ergebnis, das sich so wirklich nicht planen lässt! 😀
Also erstens, was ich so davon sehe, sieht das Ganze auch in glatt rechts sehr hübsch aus, finde ich! Und zweitens: ich muss immer schmunzeln, wenn ich sehe, was für Verrenkungen manch strickende Person unternimmt, um linke Maschen zu vermeiden! Sowohl hier https://www.ravelry.com/patterns/library/07-britta als auch hier https://www.ravelry.com/patterns/library/levenwick wimmelt es bei ravelry von den Hinweisen, die Partien in glatt links inside out zu stricken. Nö, mach ich nicht. Ich find linke Maschen nämlich gar nicht schlimm! Bin ich seltsam????
Ach, und drittens: der SAMEN – oh, es gibt Designs von Mr. West, die ich doch schön finde! Wer hätte das gedacht? ,-)
Und viertens: Mal wieder herzlichen Dank für den schönen Beitrag 🙂
Hallo, Anja,
die linken Maschen erfordern deutlich mehr Bewegungen beider Handgelenke als die rechten Maschen, rechte Maschen nur ein kurzer Schlenker der rechten Hand, links gar keine Bewegung nötig. bei linken Maschen muß der Faden mit der linken Hand vorgelegt werden, die rechte beschreibet eine Achterbewegung mit ausgeprägter Handgelenksdrehung.
Abgesehen von den daraus resultierenden Abweichung in der Fadenspannung und im Maschenbild und des höheren Zeitaufwandes:
Wenn Dein Handgelenk so wie meines 56 Jahre alt ist hinterlassen 42 Jahre Stricken Spuren, es schmerzt, knackt und knirscht. jede Möglichkeit zum Vermeiden linker Maschen ist da mehr als willkommen, wenn man nicht nach einer Stunde wieder eine Zwangspause einlegen will.
Das stimmt natürlich, Britta! Hast Du es denn schonmal mit eastern purling versucht? Da wird der Faden bei den linken Maschen andersrum um die Nadel gelegt. Ist schwer zu erklären, vielleicht gibt’s dazu ja hier mal einen Blogbeitrag *winkmitdemZaunpfahl* 😉
Ich mach das bei allem, was nicht in Runden gestrickt wird und sowohl linke als auch rechte Maschen hat (z.B. das hier https://www.ravelry.com/patterns/library/seashell-5). Vorteil: die linken Maschen erfordern weniger Handgelenksbewegung und das Maschenbild wird gleichmäßiger (und fester). Man muss nur in den Rückreihen alle dann erscheinenden rechten Maschen verschränkt abstricken, weil sie “verkehrt” auf der Nadel liegen. Aber das hat man schnell raus.
Na denn, wir würde die liebe Distelfliege sagen: Stricken ohne Tränen!
Super hübsch geworden.
Auch ich bin dem Marlen nun verfallen , habe ein Kinderprojekt mit der Flora auf den Nadeln, inspiriert hat mich Nina mit ihrem tollen DipDye Pulli . Und das macht so einen Riesen Spaß
Weil ich schon so viele Tüchter gestrickt habe, tummeln sich in meinem Wollkorb etliche bunte Reste von DROPS-Lace. Jetzt weiß ich endlich, was ich damit machen kann. Ich stricke marlenderweise sowas ähnliches wie ein Samen.
Danke für den witzigen Text und die interessante Anregung.
Hi, Anja, danke für den Hinweis. Beim Ansehen der Youtube Videos dazu hatte ich das Gefühl, daß sich mein Hirn verknotet…
Hallo,
also ich habe mit normalen linken Maschen überhaupt kein Problem, ist mir egal ob ich rechts oder links stricke. Ja, man bewegt das linke Handgelenk etwas mehr, das stimmt schon, mir macht das aber nichts aus. Ich kenne etliche Strickerinnen, die von Haus aus, die linken Maschen so stricken, wie Antje es erklärt hat. Jede hat gesagt, sie haben es nicht anders gelernt. Ich habe schon festgestellt, dass nicht alle Regionen gleich stricken gelernt haben. Vielleicht liegt das auch am Alter, denn ich habe vor 52 Jahren angefangen zu stricken und dann ist es schwer sich umzustellen. Aber Dein Beitrag hat mir heute wieder sehr gut gefallen und auch das Unbekannte für mich einmal auszuprobieren.