Ich glaub’ ich spinne, Teil 2

Ich hoffe, ihr habt alle eure Hausaufgaben gemacht und steht bereits mit euren beiden Singles in den Startlöchern? So ist’s brav! Moment, Hausaufgaben? Singles? Ja genau! Vor wenigen Wochen habe ich euch in diesem Beitrag gezeigt, wie man aus der schönen Malabrigo Nube und einer Spindel ein hübsches Garn spinnen kann, oder besser gesagt, einen hübschen Singlefaden. Und mit genau diesem Singlefaden geht es jetzt weiter: Damit wir daraus ein fesches Sommertuch oder einen Pulli stricken können, werden wir heute aus den Singlefäden ein strickfertiges Garn zaubern.

Zum Zwirnen brauchen wir …

Wir benötigen zum einen wieder unsere Spindel mit Leitfaden, mit welcher wir im ersten Teil schon unseren Singlefaden gesponnen haben. Zum anderen brauchen wir natürlich den Single oder besser gesagt zwei Singles. Im vorherigen Beitrag habe ich schon angedeutet, dass ihr den gesponnenen Faden einfach von der Spindel zu einem Knäuel abwickeln könnt, um die Spindel wieder freizubekommen. Wenn noch nicht geschehen, solltet ihr das nun tun, denn wir benötigen zum Zwirnen die leere Spindel. Am besten wickelst du dir den Faden in zwei separate, ungefähr gleich große Knäuel.

Als Hilfsmittel brauchen wir außerdem noch zwei Müslischalen, Töpfe, Tassen, Kisten, Schuhkartons … irgendetwas, wo die beiden Knäuel während des Zwirnens Platz finden können, damit sie nicht quer durch die gesamte Wohnung purzeln und somit die Kinder und Katzen des Hauses bespaßen.

Bild für Beitrag „Spinnen 2“ 1

Aus zwei mach eins

Das Verzwirnen der Singles funktioniert im Prinzip genauso wie das Spinnen eines Singles, nur anders herum und einfacher. Warum einfacher? Weil wir keine Fasern ausziehen müssen und somit ziemlich wenig zu tun haben. Aber wieso müssen wir die Singles denn überhaupt verzwirnen und was bedeutet „anders herum“?

Ein kurzer Rückblick: Beim Spinnen der Singles haben wir die Fasern mithilfe der Spindel gedreht, damit sie zusammenhalten. Hätten wir die Fasern einfach nur etwas ausgezogen und nicht verdreht, wäre der Faden sehr instabil und würde bei der kleinsten Belastung auseinander fallen. Wenn wir jetzt diesen Singlefaden nicht stramm in ein Knäuel gewickelt hätten, würde diese Drehung – der Drall – jedoch sofort wieder entweichen, wie Luft aus einem Luftballon oder eine gespannte Feder. Also müssen wir den Drall wieder etwas ausgleichen, indem wir zwei Singles miteinander verdrehen – und zwar in die entgegengesetzte Richtung. Dadurch entsteht ein stabiles Garn, welches wir leicht verstricken können.

Bild für Beitrag „Spinnen 2“ 2

Jetzt schreiten wir zur Tat: Die beiden Schalen inklusive je einem Singleknäuel positionieren wir neben uns. Wo genau, ist ein wenig Geschmacksache, ich stelle sie als Rechtshänderin gerne beide links von mir auf. Die Spindel inklusive befestigtem Leitfaden – wie man einen Leitfaden an einer Spindel befestigt, erkläre ich hier – klemmen wir uns wieder zwischen die Knie, sodass wir bequem mit beiden Händen die beiden Enden der Knäuel durch die Leitfadenschlaufe legen können – siehe Bild 1 weiter unten

Jetzt halten wir den Übergang vom Leitfaden zu den Singlefäden mit der linken Hand fest und lassen dabei beide Singlefäden zwischen unterschiedliche Fingerzwischenräume laufen. Dadurch lässt sich weitestgehend ein Fadensalat der Singles vermeiden. Nun drehen wir die Spindel mit der rechten Hand gegen den Uhrzeigersinn an. Wenn etwas Drall gesammelt ist – siehe Bild 2 –, können wir die Spindel wieder parken und den Drall in unser Garn wandern lassen. Dafür lösen wir die Drallsperre der linken Hand mit der rechten Hand ab, lassen die linke Hand nach hinten gleiten, halten die beiden Singlefäden parallel – siehe Bild 3 – und lösen die Drallsperre –zack–, ein Stück fertiges Garn!

Das Vorgehen ist wirklich genauso wie beim Spinnen, nur dass hier keine Fasern ausgezogen werden müssen. Stattdessen achtet darauf, dass beide Fäden einigermaßen parallel liegen, sobald der Drall die beiden verbindet. Wenn sie das nicht tun und zum Beispiel in einem großen Winkel von 45 Grad aufeinander zulaufen, wickelt sich ein Single um den anderen. Das kann auch einen netten Effekt geben, besonders wenn beide Singles unterschiedlich dick sind, aber diesen wollen wir bei diesem Garn nicht haben. Später ist natürlich jegliches Experimentieren erwünscht 😉

Nun geht es immer so weiter: Mit der Spindel Drall sammeln – gegen den Uhrzeigersinn – und diesen in die parallel gehaltenen Singles wandern lassen. Zwischendurch muss das erzeugte Garn natürlich auf die Spindel aufgewickelt werden – siehe Bild 4

Bild für Beitrag „Spinnen 2“ 3

Tipp: Um zu erkennen, ob das Garn ausgeglichen ist – sprich, ob der Drall des Spinnens mit dem des Zwirnens harmoniert und sich das Garn später nicht aufdreht oder einkräuselt –, kann man sich das Garn auf der Spindel anschauen und zuerst einmal optisch begutachten. Gefällt mir die Drehung oder sieht mir das Ganze zu eng oder zu locker aus? Dabei ist darauf zu achten, dass das Garn meistens eher fest auf die Spindel gewickelt ist und später meistens etwas aufflufft.

Eine weitere Möglichkeit ist, zwischendurch ein Stückchen Garn von der Spindel zu wickeln und durchhängen zu lassen. Kräuselt sich das Stückchen stark ein, muss entweder etwas mehr oder etwas weniger Drall verwendet werden. Ein klein wenig einkräuseln ist aber nicht tragisch, das gibt sich meistens während der Nachbehandlung.

Nachbehandlung

Das Garn ist fertig verzwirnt und wir können mächtig stolz sein, denn wir haben unsere erste Wolle gesponnen! Auch wenn das Garn noch etwas, oder auch sehr, ungleichmäßig ist, das ist völlig normal und überhaupt nicht schlimm. Wenn man gleich dran bleibt, wird das nächste Garn schon wesentlich gleichmäßiger, versprochen.

Außerdem lässt sich noch einiges mit der Nachbehandlung herausholen. Dazu wickeln wir das Garn von der Spindel zu einem Strang. Dafür gibt es extra Haspeln, oder man benutzt die Arme des Partners, eine Stuhllehne oder die Knie der aufgestellten Beine. Ist der Strang gewickelt, wird er an drei bis vier Stellen mit einem Bindfaden abgebunden, aber nicht zu fest, sodass das Garn noch etwas arbeiten kann. Wenn der Strang etwas dicker geworden ist, kann man den Bindfaden wie eine Acht durch den Strang ziehen und so abbinden.

Bild für Beitrag „Spinnen 2“ 4

Frisch auf der Welt und schon darf sich das Garn erstmal entspannen, und zwar in einer Schüssel mit lauwarmen Wasser und ein wenig Wollwaschmittel oder mildem Shampoo. Wer mag, kann noch ein bis drei Tropfen ätherisches Lavendelöl hinzugeben, so riecht es lecker und die Motten bleiben fern.

Die nächsten 30 Minuten darf das Garn nutzlos im Bad faulenzen noch mal richtig arbeiten. Die Fasern fluffen auf und der Drall verteilt sich noch ein wenig hierhin und dorthin, bis in alle Ecken. Wenn wir den Strang dann ausspülen und herausnehmen, wringen wir ihn vorsichtig aus, rollen ihn in ein Handtuch und drücken das restliche Wasser heraus. Am besten geht das, in dem man auf der Handtuchrolle ein paar Mal hin und her läuft.

Jetzt stecken wir beide Arme in den Strang und spannen diesen zwei- bis dreimal kräftig auseinander, dadurch verteilt sich auch noch mal etwas Drall. So, nun darf das Garn aber wirklich entspannen. Wir legen es auf einen planen Untergrund zum Trocknen, wie einen Strickpulli. Je nach Wetter und Wärme dauert das dann ½ bis 3 Tage. Während dieser Zeit können wir schon mal das Strickprojekt für das Garn planen – wenn noch nicht geschehen – oder schon das nächste anspinnen. Oder ich erzähle euch schon einmal, wie man die richtige Nadelstärke für sein Garn herausfindet.

Und nu, wie genau verstricken?

Um mit dem selbstgesponnenen Garn zu stricken müssen wir natürlich noch herausfinden, welche Nadelstärke sich gut für das Garn eignet. Dazu können wir entweder raten und eine Maschenprobe nach der nächsten stricken, oder wir ermitteln den WPI (Wraps Per Inch/Umschläge pro Zoll), vergleichen ihn mit einer entsprechenden Tabelle und schauen dort nach, welche Garnstärke dieser WPI hat. Diese Methode funktioniert recht zuverlässig und ist schnell gemacht.

Um den WPI zu ermitteln, brauchen wir lediglich ein ganz normales Lineal. Nun wickeln wir das Garn solange um das Lineal, bis 1 Zoll beziehungsweise etwa 2,5 Zentimeter bedeckt sind. Wichtig ist dabei, dass die Wicklungen nicht zu stramm sind. Alternativ lässt sich das Lineal auch durch den Strang schieben, so hat man – grade bei unregelmäßigen Garnen – ein breites Spektrum auf dem Lineal.

Jetzt müssen wir nur noch die Umwicklungen auszählen und schon haben wir den WPI, also die Umwicklungen auf ein Zoll – in meinem Fall ist dies 12. Mit dieser Zahl alleine können wir jetzt noch nicht allzu viel anfangen, also schauen wir in der Tabelle für die Ravelry Standard Yarn Weights nach, welchem Garn dieser WPI entspricht. 12 WPI liegt laut der Tabelle bei Sport-Weight. Also könnte ich für dieses Garn eine Anleitung heraussuchen, welche genau dafür geschrieben ist – bei Ravelry kann ich sogar direkt nach diesen Kriterien suchen.

Wenn die entsprechende Anleitung gefunden ist, kann ich meine Maschenprobe mit der dort empfohlenen Nadelstärke stricken und schauen, ob mir das Strickbild gut gefällt und ob alles passt. Wenn ich ohne Anleitung arbeiten möchte, überlege ich, welche Nadelstärke ich üblicherweise für meine ermittelte Garnstärke verwende, und mache damit meine Maschenprobe.

Bild für Beitrag „Spinnen 2“ 5

Tipp: Wer außerdem noch die Lauflänge des Garns bestimmen möchte, kann mit einem Maßband den Umfang des Strangs ausmessen, die Fäden des Strangs zählen, und diese beiden Zahlen miteinander multiplizieren. Da die Lauflänge gekaufter Garne meistens für 50 oder 100 Gramm angegeben ist, ergibt es möglicherweise Sinn, die Lauflänge des gesponnenen Garns auf einen dieser Werte umzurechnen. Dafür wiegen wir den Strang und rechnen die Lauflänge mittels Dreisatz auf 50 respektive 100 Gramm hoch. Bei meinem Garn habe ich 65 Fäden gezählt und 50 Gramm gewogen. Der Strang hat einen Umfang von 1,7 Meter. Da er ohnehin genau 50 Gramm hat, habe ich es einfach und muss für einen möglichen Vergleich nichts mehr groß umrechnen:

65 Fäden × 1,7 Meter Strangumfang bei 50 Gramm = 111 Meter Lauflänge bei 50 Gramm

Ich orientiere mich allerdings lieber an dem WPI als an der Lauflänge. Denn je nachdem, welche Fasern ich versponnen habe und wie dicht mein Faden geworden ist, kann eine Lauflänge bei gleicher Stärke und Gewicht ganz anders ausfallen. Der WPI hingegen ist, was die Dicke des Fadens – und damit die Nadelstärke – angeht, etwas eindeutiger, da er nicht vom Gewicht abhängig ist.

Ohne Zwirnen

Natürlich gibt es auch fertige Garne zum Stricken welche ungezwirnt sind, sogenannte Docht- oder eben Singlegarne – wie zum Beispiel die Malabrigo Lace oder Rastita. Solche Dochtgarne lassen sich natürlich auch spinnen, allerdings ist dafür etwas Übung und Fingerspitzengefühl erforderlich. Es muss während des Spinnens genau die richtige Menge an Drall produziert werden, damit ein ausgeglichenes, nicht überdrehtes, aber stabiles Singlegarn entsteht. Wenn man ein wenig Erfahrung im Handspinnen gesammelt hat, lassen sich aber auch sehr schöne Singlegarne herstellen!

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Fertig ist es nun, mein klassisches Kammgarn im kurzen Auszug aus der Malabrigo Nube, 850, Archangel. Es ist richtig weich und kuschelig geworden, so wie man es von Malabrigo gewohnt ist. Da sich mit 50 Gramm aber nicht allzu viel stricken lässt – keine Sorge, ein ganzer Kammzug Nube hat circa 113 Gramm – bereite ich nun meine nächsten Fasern vor und ganz vielleicht nehme ich euch wieder dabei mit!

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Kommentare

  1. Von Franziska am 27. Juni 2018:

    Ich hab mir schon ewig überlegt mir eine Handspindel zu kaufen, nach deinem Beitrag hab ichs endlich getan! Am Anfang bin ich fast verzweifelt, aber du hattest recht, die Fäden werden sehr schnell sehr viel gleichmäßiger 🙂 Die Singles liegen schon bereit und warten jetzt nur drauf dass ich wieder Zeit finde und sie in ein “fertiges” Garn verwandelt werden – und ich bin total gespannt wie das dann aussieht 🙂

    • Von Nora am 28. Juni 2018:

      Ohh schön dass ich dich anstecken konnte 🙂 Da freue ich mich sehr!

  2. Von Susanne am 27. Juni 2018:

    Wieder ein toller, informativer Artikel von Dir. Ich werde der Spinnerei auf jeden Fall noch eine Chance geben. Der Post von Franziska ermutigt mich auch, es noch einmal zu versuchen 🙂

    Liebe Grüße Susanne

    • Von Nora am 28. Juni 2018:

      Unbedingt, es lohnt sich wirklich 🙂

  3. Von Carla am 02. Juli 2018:

    Ich hab’s auch probiert und es hat so viel Spaß gemacht, das ich mir heute mein erstes Spinnrad gekauft habe.

    • Von Nora am 03. Juli 2018:

      Boah das ist klasse! Dann wünsche ich dir ganz viel Spaß mit deinem neuen Hobby 🙂

  4. Von Tanja am 03. Juli 2018:

    Ein sehr schöner Artikel, der hoffentlich bei vielen Strickerinnen die Lust auf selbstgemachtes Garn erweckt. Noch besser wäre aber, wenn ihr zum fertigen Garn auf den Fotos geschrieben hättet, dass dieses dreifach verzwirnt bzw. chainplyed wurde. Der beschriebene Zweifachzwirn sähe in dieser Farbgebung komplett anders aus.

  5. Von Marion am 03. Juli 2018:

    Vielen Dank für den Artikel. Ich hab zufällig vor einigen Wochen damit angefangen, und nach den schwangeren Regenwürmern kann ich jetzt schon viel gleichmäßigeres Garn produzieren. Hab mich aber immer gefragt, wie ich die Lauflänge meines Garns herausfinden kann- danke schön 🙂

  6. Von Ulrike am 25. September 2020:

    Hallo! Ich glaube, die Garnrichtungen oben sind falsch bezeichnet. Man bestimmt die Drehrichtung beim hängenden Garn (vertikel), nicht beim liegenden (horizontal). Wenn du also dein Foto um 90 Grad drehst, dann kannst du die Drehrichtungen zuordnen. In dem Fall sind sie vertauscht.

    L.G., Ulrike

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