Wolle in der Maschine waschen? Kein Problem mit Superwash-Behandlung. Aber was heißt das eigentlich? Und was macht es mit der Wolle? Waschbar, ja klar. Aber wie? Schauen wir es uns mal an:
Vorweg ein bisschen WollHaarspalterei: „Superwash“-behandelt dürfen sich nur Garne nennen, die die Inspektion des International Wool Secretariat in London bestanden haben, denn es ist ein eingetragener Markenname. Es handelt sich hierbei um das Hercosett-Verfahren. Durch dieses Verfahren wird die Wolle filzfrei ausgerüstet und kann in der Maschine gewaschen werden.
Unser Protagonist
Wolle ist ein tolles Material, sie kann unheimlich viel: Wolle ist schwer entflammbar, sie brennt nicht, sondern verkohlt nur. Sie nimmt Gerüche nur schwer an und gibt sie leicht wieder ab. Genau wie Schmutz. Einmal gründlich auslüften und ausklopfen, und das Teil ist wieder wie neu. Sie kann bis zu 30 Prozent an Feuchtigkeit aufnehmen ohne sich feucht anzufühlen. Und selbst wenn Wolle nass ist, wärmt sie noch. Ein echtes Wunderzeug, kein Wunder also, dass wir es alle so lieben.
Wolle besteht, wie menschliche Haare, aus verschiedenen Eiweißstoffen, vornehmlich aus Keratin. Eiweiße (Proteine) sind empfindlich gegen Laugen, und somit auch Seifen, aber ziemlich tolerant bei verschiedenen Säuren. Deshalb lässt sie sich gut färben, aber ungern waschen.
Wie bei einem Fichtenzapfen liegen die äußeren Schuppen in einer Schicht um den Haarkern. Diese Schuppenschicht ist es, die Wolle einerseits ihre tollen Eigenschaften verleiht, andererseits aber dazu führt, dass Wolle pillt und beim Waschen verfilzt. Unterschiedlich gerichtete Wollfasern verhaken sich mit diesen Schuppen aneinander und verbinden sich so unzertrennlich. Das ist Filz.
Captain Superwash, zu Hülf!
Was also tun? Die Grundidee vor 60 Jahren war, die Schuppenschicht zu entfernen, um ein Verhaken und somit ein Verfilzen zu verhindern. Dies geschieht bis heute beim Hercorsett-Verfahren mittels Chlor. Weil die schützende Schuppenschicht nun fehlt, wird anschließend der zu verspinnende Kammzug mit einer dünnen Schicht Polyamid-Epichlorhydrinharz überzogen. Böse Zungen behaupten deshalb, Superwash-behandelte Wolle sei eine „Kunstfaser mit Wollkern“.
Da die Behandlung mit Chlor sehr umweltschädlich ist, gibt es mittlerweile auch andere Verfahren, die Wolle waschbar zu machen. Bei Rosy Green Wool geschieht dies beispielsweise mittels Enzymen. Diese Wollen dürfen jedoch nicht das Siegel „Superwash“ tragen, da dies ein eingetragener Markenname ist (siehe oben). Sie haben dann meist den Zusatz „Machine Washable“.
So, und was macht jetzt die Superwash-Behandlung mit der Wolle? Zum einen natürlich filzfrei, das heißt, sie kann mit in die Waschmaschine. Praktisch und pflegeleicht, besonders bei Socken und Kinderkleidung. Zum anderen verliert die Wolle aber leider einen Teil ihrer natürlichen Superkräfte.
Der Held strauchelt
Pullover aus Superwash-Wolle verlieren mit den Jahren ihre Spannkraft und hängen sich etwas aus. Auch sind sie insgesamt nicht so langlebig wie die aus unbehandelter Wolle. Das liegt daran, dass die Schuppen an der Wollfaser entfernt wurden und nicht mehr ineinander greifen, um dem Pullover Struktur geben zu können.
Der Arroyo-Pullover meines Mannes, den er seit sechs oder sieben Jahren dauerhaft trägt, löst sich langsam an den Kanten auf und wirkt mittlerweile eher wie ein Schlafanzug-Oberteil denn wie ein Pullover. (Er liebt ihn trotzdem heiß und innig und wird ihn tragen, bis er komplett auseinanderfällt. Ich rechne in etwa drei Jahren damit.)
Die schmutz- und geruchsabweisenden Eigenschaften und die Wärmeisolation verändern sich mit der Behandlung, wenn auch nur gering. Aber der schöne, wollige Griff, den ich seit ein paar Jahren an Wolle so sehr schätze, geht zu Teilen verloren.
Die Farbbrillianz ist bei Superwash-behandelter Wolle allerdings besser, weil die Oberfläche der Fasern schön glatt ist. Sehr schön könnt ihr das bei verschiedenen Qualitäten von Malabrigo sehen. Malabrigo Lace, Worsted und Chunky haben keine Superwash-Behandlung, hier wirken die Farben etwas abgetönter als bei den jeweils Superwash-behandelten Geschwistern. Nina hat neulich dazu berichtet.
Showdown!
Und wer gewinnt jetzt unser Match? Superwash oder Natural? Na ist doch klar, wir gewinnen! Denn wir können uns aussuchen, was wir für welches Projekt verstricken möchten! Bunt, pflegeleicht, für Kinder, für Socken? ⇒ Superwash! Pro-Tipp: Wenn Ihr in der Shop-Ansicht auf „Alle Garne“ geht und euch dann die Sortierung „Nach Verwendung“ anzeigen lasst, könnt ihr in der Rubrik „Maschinenwaschbar“ alle in der Maschine waschbaren Garne sehen.
Aber alles wird gut
„Och Menno, kann es denn nicht ein superweiches Merinogarn geben, was keinen Kunstharzmantel Superwash-Behandlung hat?“ Und jetzt. Jetzt kommt’s: Eine reine, kratzfreie Merinowolle ohne Superwash-Behandlung! Wie geil ist das denn? Himmlisch ist das! Sandnes Sunday heißt unser neues Wunderkind!
Sunday hat diesen weichen, trockenen Griff, den ich an Wolle so mag und den ich bei Superwash-behandelten Garnen immer etwas vermisse. So strickt sie sich für ihre immense Lauflänge doch recht flott weg. Was, immense Lauflänge? Ja, 235 Meter hat sie auf 50 Gramm, da kommt man ne Weile mit hin!
Wunderschöne Pullover, leichte Jacken, Baby-Kollektionen, Fair-Isle, alles kann man mit ihr machen. Benommen vor uns hin sabbernd saßen Carolin und ich letztes Wochenende vor der Ankündigung des neuen Sandnes-Sunday-Katalogs , der bald in deutsch erscheint und dann pronto zu uns in den Shop wandert!
Und wenn man es wärmer mag, nimmt man sie einfach doppelt, wie beim Seaside Sweater zum Beispiel! So einfach, so gewitzt. Moment mal, dünne Wolle, doppelt verstrickt? Kann man da nicht … Klar! Marling!! Oder ist das schon wieder out? Naja, mir egal. Ich mach mir einen Dip Dye Sweater, einen zweiten Marled Mania Cardigan und einen Simple Something. Sobald mir zwei bis vier zusätzliche Arme gewachsen sind.
Im Spezial-Schonwaschgang darf die Sunday bei maximal 30 °C auch in die Waschmaschine, wenn es denn unbedingt Not tut. Das liegt daran, dass Merinohaare von Natur aus sehr glatt und die „Fichtenzapfenschuppen“ ganz klein sind. Außerdem ist sie eine lange Faser, die sich gut mit viel Drall (Twist) verspinnen und zwirnen lässt, so wie bei der Sunday geschehen.
Wenn es euch stört, dass der Faden sich etwas umeinander dreht beim Abwickeln, strickt das Knäuel lieber von außen ab, dann passiert das nicht. Aber tut euch bitte einen Gefallen und steckt sie nicht – „wird schon gutgehen“ – einfach bei 30 Grad in die normale Buntwäsche.
Zum Ausprobieren haben ich für euch für mich die Rainy Day Mitts und die dazugehörige Mütze gestrickt. Genau richtig für diesen bitterkalten Frühling, der nicht so richtig aus den Füßen kommt.
Anleitung: Rainy Day Hat und Rainy Day Mitts von Melanie Berg
Garn: Sandnes Sunday in den Farben 1031, Nebelblau und 6043, Blauauge
Nadeln: ChiaoGoo Bambus 2,75mm, 80 cm
Das Sunday muss ich dann wohl mal testen. Non-Superwash war für mich gleichzeitig kratzig – und kratzig geht gar nicht.
Herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag, vor allem für die animierten Wollknäuel