Kennt ihr schon Roosimine?

Kennt ihr das, wenn ihr ein neues Wort lernt und das dann plötzlich überall hört und lest? So ging es mir vor Kurzem. Ich habe irgendwo den Namen der Stricktechnik „Roosimine“ aufgeschnappt, aber ihn erstmal in der geistigen „Aha, egal“-Schublade abgespeichert. Dann ein paar Tage später ist er mir auf Ravelry wieder begegnet. Dann auf Instagram.

Und als ich dann schließlich in dem schönen Anleitungsbuch „52 Weeks of Shawls“, das ich für euch vorgestellt habe, plötzlich wieder „Roosimine“ las, war Schluss. Der Sache musste auf den Grund gegangen werden.

Was ist Roosimine?

Bei Roosimine handelt es sich um eine traditionelle Stricktechnik aus Estland, bei der Muster als Inlay mit Spannfäden in das Strickstück eingebracht werden. Die Muster werden also nicht in Form von Maschen eingestrickt, sondern während des Strickens in die Grundfarbe eingewebt. Das Ergebnis sieht ein bisschen aus, als hätte man das Muster aufgestickt.

In „52 Weeks of Shawls“ wird diese Technik in dem Tuch „Halliste“ von Aleks Byrd eingesetzt. Aleks Byrd ist eine Amerikanerin mit estnischen Wurzeln, die es versteht, die reiche Stricktradition Estlands in moderne Designs einzubringen.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Titel

Wie strickt man Roosimine?

Das angenehme an Roosimine ist, dass man die Muster schon während des Strickens einarbeitet, aber nicht mit mehreren Farben gleichzeitig stricken muss. Die Technik ist damit sehr gut geeignet für alle, die bei Fair Isle und Jacquard genervt vom Fadenhandling sind oder Probleme mit der Fadenspannung haben.

Bei Roosimine kann man nämlich die Fadenspannung sehr gut noch nachträglich korrigieren. Und: Roosimine wird traditionell in Runden gestrickt, etwa für Fäustlinge. Und das, ohne dass man den Kontrastfaden die ganze Runde hindurch mitschleppen muss.

Roosimine-Meisterin Aleks Byrd hat ein ganz hervorragendes Video auf YouTube, in dem sie die Technik erklärt. Dass sie das aber auf Englisch tut und Bewegtbild oft nicht so langsam abläuft, wie man sich das beim Lernen einer neuen Technik wünscht, habe ich die einzelnen Schritte noch mal für euch fotografiert.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 1

Ihr strickt mit eurer Grundfarbe ganz entspannt bis zu dem Punkt, an dem euer Muster eingestrickt werden soll. Dort legt ihr dann eure Kontrastfarbe vor die erste Masche. Das Fadenende kommt nach innen, das Ende mit dem Knäul dran nach außen. Euer Arbeitsfaden in der Grundfarbe verläuft über dem Kontrastfaden.

Tipp: Durch den gewebten Charakter von Roosimine kann die Grundfarbe etwas durchschimmern. Es ist deshalb sinnvoll, den Kontrastfaden doppelt zu nehmen – so wie ich hier mit der Sandnes Tynn Peer Gynt – oder eine dickere Garnstärke als für die Basisfarbe zu verwenden.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 2

Jetzt strickt ihr weiter in der Grundfarbe die Anzahl der Maschen, die für den Einsatz des Musters vorgesehen sind. Euer Kontrastfaden bleibt so lange einfach zwischen den Maschen hängen.

Danach kommt der Kontrastfaden wieder zwischen den Maschen nach innen. Was bleibt, sind die Spannfäden auf der Vorderseite. Arbeitsfaden wieder über den Kontrastfäden laufen lassen!

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 3

Kommt der Kontrastfaden kurz danach noch mal für das Muster zum Einsatz? Dann wieder zwischen den Maschen nach vorne damit! Lasst den Spannfaden auf der Innenseite aber nicht zu lang, das gibt sonst nur Scherereien. Bei meinen 5 Maschen zwischen den Kontrastfarbenteilen ging es noch, bei deutlich mehr Maschen empfiehlt sich aber, ein neues Knäul anzusetzen.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 4
Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 5

Und danach wieder nach hinten mit dem Faden. Die erste Reihe des Mustersatzes ist geschafft! Wenn der Faden zu locker oder zu straff sitzt, kann man ihn jetzt einfach ein bisschen zurecht ziehen, dann stricken wir die Runde mit der Basisfarbe zu Ende.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 6

Die zweite Runde führt uns wieder zu unserem Musterteil. Doch oh weh! Der Arbeitsfaden in der Kontrastfarbe ist ja noch am linken Ende! Was tun? Langer Spannfaden? Abschneiden und neu ansetzen? Verzweifeln? Mitnichten.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 7

Jetzt kommt der große Trick der schlauen Estländerinnen, der leider nur bei Roosimine funktioniert, aber da dann richtig gut. Legt dafür zuerst den Kontrastfaden in einer großzügigen Schlaufe von links nach vorne über die Nadeln und vor der anstehenden Mustermasche wieder nach hinten. Macht die Schlaufe schön locker, damit ihr ungestört stricken könnt. Wir bringen das am Ende schon in Ordnung, versprochen.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 8

Jetzt wie gehabt: Mustermaschen mit der Basisfarbe stricken, dann den Kontrastfaden zwischen den Maschen nach hinten legen. Da hängt dann jetzt auch die ganze olle Schlaufe und baumelt vor sich hin. Soll sie doch.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 9

Nächster Mustereinsatz: Der Kontrastfaden kommt wieder nach vorne. Das andere Bein der Schlaufe legen wir wie vorhin weiter links über die Nadeln, wo es nicht stört.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 10

Sind die erforderlichen Maschen des Mustereinsatzes in der Grundfarbe gestrickt, kommt der Kontrastfaden wieder nach hinten. Von vorne sieht das jetzt aus wie nach der ersten Runde, also prima.

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 11

Aber auf der Rückseite hängt noch diese Schlaufe! Zeit für Verzweiflung?

Bild für Beitrag „Roosimine“, Schritt 12

Alles gut! Ich habe euch ja versprochen, dass wir das Ding noch in Ordnung bringen. Und geschieht jetzt. Haltet einfach mit der linken Hand das Strickstück fest und zieht mit der rechten Hand vorsichtig am Kontrastfaden, der am rechten Ende des Musters herauskommt und zum Knäul führt. Ich mache das hier mit der linken Hand, weil ich mit rechts auch noch die Kamera halten muss, aber das Problem habt ihr ja zum Glück nicht.

Da der Kontrastfaden nicht wie bei Fair Isle verstrickt ist, könnt ihr die böse Schlaufe einfach rausziehen. Zieht nur nicht zu fest, sonst verzieht sich das Gestrick. Was ihr aber auch ganz einfach wieder durch ein bisschen Zupfen am Kontrastfaden korrigieren könnt.

Und das ist auch schon der ganze Zauber. Die Schlaufengeschichte macht ihr in jeder geraden Runde, in jeder ungeraden Runde erwartet euch der Kontrastfaden brav auf der rechten Seite des Musters. So sieht das Muster dann aus:

Bild für Beitrag „Roosimine“, Muster
Bild für Beitrag „Roosimine“, Muster Rück

Wofür eignet sich Roosimine?

Da Roosimine aus Spannfäden besteht, eignet es sich für Muster mit kurzen Farbeinsätzen. Bei größeren Farbflächen besteht die Gefahr, dass die Spannfäden durchhängen oder irgendwo hängen bleiben. Man kann also sicherlich einige Fair-Isle- und Jacquardmuster mit Roosimine umsetzen, aber eher wenige Intarsienmuster.

Da man Roosimine so gut in Runden stricken kann, bieten sich vor allem Mützen, Handschuhe, Ärmel und Socken an. Aleks Byrds Tuch „Halliste“ wird ebenfalls in der Runde mit Roosimine-Muster gestrickt und später per Steek aufgeschnitten. Wer erstmal kleiner starten will, kann mit ihrer Mütze „Elpuu“ einsteigen. Der „Seli Sweater“ steht bei mir ganz weit oben auf der Wunschliste.

An Garnen ist alles geeignet, was ihr auch guten Gewissens für Fair Isle verwenden würdet: Streichgarne, Dochtgarne, robuste Garne mit gutem Wollanteil, bei denen die Fasern schön ineinander greifen. Baumwolle, Merino mit Superwash-Ausrüstung oder gar reine Seide würde ich erst nach ein wenig Roosimine-Übung empfehlen.

Warum der Zirkus, wenn man das Muster auch aufsticken könnte?

Berechtigte Frage. Natürlich könnte man jedes Roosimine-Muster auch nachträglich auf das Gestrick mit einer Wollnähnadel aufsticken. Ich persönlich habe nach dem Abketten eines Strickstücks selten Lust, noch mal viel Arbeit reinzustecken. Wenn ihr da ausdauernder seid und Roosimine zu fummelig findet, lasst euch nicht aufhalten!

Behaltet nur im Hinterkopf, dass nachträgliches Aufsticken je nach verwendetem Garn das Grundgestrick verziehen kann. Bei der Roosimine-Technik dagegen wird schon beim Stricken mit der Grundfarbe der erforderliche Platz für die Kontrastfäden eingebaut, sodass das Ergebnis gleichmäßig und glatt werden kann.

Wie spricht man Roosimine richtig aus?

Oh je, die schwierigste Frage zum Schluss. Wie man es nicht ausspricht, ist Englisch. Also nicht „Rouse-i-main“ oder dergleichen. Das Estnische ist mit dem Finnischen verwandt und klingt deshalb für deutsche Ohren sehr skandinavisch.

Das „Roosi“ wird also ausgesprochen wie die Rosi, die im Sperrbezirk für Skandale sorgt (hallo Ohrwurm!), das „mine“ weniger wie die Bleistiftmine und mehr wie die Minna mit einem Aufschwung in Richtung „a“ am Ende.

„RooSIMInah“ spricht Aleks Byrd es in ihren Videos aus. Was es bedeutet? „Mit Rosen dekoriert“ – klingt nach einem sehr romantischen Völkchen da oben in Estland!

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Kommentare

  1. Von Kathi am 26. Januar 2023:

    Oh die Technik hab ich beim Karelia Sweater von Midori Hirose gesehen und mich gefragt wie das geht 😀 Danke fürs Zeigen!

  2. Von Ruth am 26. Januar 2023:

    Danke fürs Zeigen, aber ich musste passen. Habe den vorgenannten Sweater angefangen. Hatte leider nur Wollsalat mit den vielen kleinen Knäuel, die sich alle verheddert hatten. Wollte nicht ganz aufgeben und habe das Tuch Halliste angefangen – the same – die vielen Einzelknäuel waren nichts für mich. Ich warte sehnlichst auf das Buch von Kuniberta wird verlegt im Laine Verlag. Da geht es uns Aufsticken von Blumen und Insekten. Ich denke, dass ist dann eher was für mich. Schade, denn ich finde diese Roosimine Sweater und Tücher sehr schön.

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