Das Klima und die Jahreszeiten sowie die dazugehörigen Feiertage kommen ja immer wieder überraschend. Da kann man dreißig, vierzig oder auch mehr Jahre dabei sein und merkt trotzdem erst am 10. Dezember, dass man ja noch fünf selbstgestrickte Pullover verschenken wollte. Oder man geht im April mit seinem Nepalpulli vor die Tür und merkt erst nach dem 800-Meter-Sprint zur Bushaltestelle, dass irgendwie vielleicht doch der allertiefste Winter schon vorbei ist 😀
Mir geht es jedenfalls immer wieder so. Aber es gibt auch ganz besonders gut vorbereitete Vorausschauer, die des Kalenderlesens mächtig und der Saison stets einen Schritt voraus sind. Havariemarie zum Beispiel, die weiß, wo der Hase die Schneeschippe hat und strickt schon bei unter 10 Grad den ersten Frühlingspullover. Sehr schlau! Wie es dazu kam und welche listigen Strategien sie noch parat hat, das schreibt sie euch selbst:
Hallo ihr Baumwollwölkchen!
Ich weiß ja nicht, wie es bei euch aussieht, aber in meiner Gegend lässt der Frühling noch auf sich warten. Ab und zu blinzelt mal die Sonne vom Himmel, man will sich gerade freuen, da kommt auch schon die meteorologische Backpfeife in Form von Eiseskälte und Grisselfissel (ein ganz feiner Regen, der weniger vom Himmel fällt als vielmehr ganz einfach überall ist und alles klamm werden lässt). Brrr!
Was da hilft? Eine heiße Tasse Tee und ein Blick auf die neue Frühjahrskollektion von DROPS Design. Wenn man schon auf den Frühling warten muss, kann man dabei wenigstens ein schönes Frühlingsprojekt stricken, oder? Als die Kollektion veröffentlicht wurde, fiel mein Blick und mein Herz sofort auf dieses schmucke Modell:
Gestrickt aus der schönen DROPS Belle (einen Testbericht findet ihr hier) und mit einem interessanten Lacemuster um den V-Ausschnitt, dabei trotzdem absolut alltagstauglich. Nett, oder? Noch bevor das eigentliche Muster veröffentlicht war, habe ich Carolin wie ein kleines Kind vor dem Süßigkeitenregal gelöchert: „Mamamamama – äh, Carolincarolincarolin, darf ich das für euch stricken …?“ Sie hat ja gesagt. Hurra!
Natürlich hätte ich den Pullover auch nur für mich (beziehungsweise meinen eigenen Blog) gestrickt, aber ich bin mir sicher, dass die eine oder andere unter euch auch schon mit dem Modell geliebäugelt hat und den Pullover gern erst mal in Aktion sehen würde, bevor sie sich an die Arbeit macht.
Und das muss ich gleich von vornherein sagen: Dieses Modell hat es in sich. Man beginnt sowohl Front wie Rückenstück vom Zentrum des Lacemusters aus nach außen hin zu stricken, legt dann die Seiten still, strickt nach unten weiter, näht die Teile zusammen und strickt dann die Ärmel aus den stillgelegten Maschen runter. Allerdings in Reihen, nicht in Runden, warum auch immer. Ach ja, ein paar verkürzte Reihen sind auch noch mit im Spiel. Langweilig wird es also schon mal nicht!
Nachdem ich die Anleitung durchgelesen habe, habe ich mir gesagt: Drauf gepfiffen, ich stricke in Runden, was in Runden gestrickt werden kann! Das geht zwar nicht mit dem kompletten Teil, aber doch wenigstens ab der Taille abwärts. Ich habe also Front und Rücken bis zu dem Punkt gestrickt, an dem es nur noch nach unten und nicht mehr zu den Seiten hin wächst, dann beide Teile auf eine Nadel genommen und in Runden bis zum Bündchen runtergestrickt. Das geht bei mir nämlich viel einfacher und schneller als die mühsamen Rückreihen mit ihren vielen linken Maschen.
Ich kann euch alle an dieser Stelle nur ermutigen, auf euren gesunden Menschenverstand zu hören und Anleitungen anzupassen, wo es euch sinnvoll erscheint. Ich weiß, dass viele Strickerinnen da sehr unsicher sind und ich war es auch lange. Dann sind mir aber zwei Dinge klar geworden, die ich mir seitdem immer irgendwo an den Rand einer Strickanleitung schreibe, damit ich sie nicht vergesse. Probiert es mal aus, vielleicht hilft es euch auch!
- Ich mache niemals Fehler. Das Ergebnis ist zwar manchmal nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber ich werde mit jedem Projekt besser.
- Es ist keine Gehirnchirurgie, Schätzchen. Es ist nur Wolle.
Genauso wichtig wie der Mut zu eigenen Entscheidungen ist allerdings auch der Mut sich einzugestehen, wenn man in die falsche Richtung läuft. Nachdem ich mir für den Einfall gratuliert hatte, den Körper in Runden zu stricken, machte ich mich an die Ärmel (natürlich ebenfalls in Runden) und sah mich einer ungewöhnlich großen Menge Maschen gegenüber.
Nun kannte ich schon aus früheren Strickabenteuern die Neigung im Hause DROPS zu großzügigen Ärmelöffnungen – anscheinend mag man es im Norden etwas luftiger um die Achseln. Also habe ich Schlaufuchs die Ärmelöffnung um zwanzig Maschen reduziert, indem ich die Maschen einfach unter dem Arm zugenäht habe, und habe mich ans Stricken gemacht.
Nach zehn Zentimentern sah das Ganze immer noch ziemlich weit aus. Na gut, dachte ich, ist ja vielleicht auch ganz gut im Sommer, oder? Nach zwanzig Zentimetern hatte der Ärmel schon eineinhalb Knäuel Belle verschlungen und schien trotz Abnahmen nicht schmaler zu werden. Und ich hatte den Umfang doch schon reduziert! Mir kam langsam der Verdacht, dass das Model in der Anleitung nicht deshalb so verkrampft dasteht, weil die Sommerkollektion im Winter fotografiert wurde, sondern um zu verhindern, dass die fünfzig Wäscheklammern zu sehen sind, die den Pullover in ihrem Rücken in Form halten.
Nach dreißig Zentimetern wurde mir klar, dass in diesen Ärmel nicht nur mein Arm, sondern auch mein anderer Arm und vermutlich noch ein paar fremde Arme dazu passen würden. Könnte das daran gelegen haben, dass ich in Runden statt in Reihen gestrickt und dadurch irgendeinen schlauen Kniff in der Anleitung ausgelassen habe, der dieses Monstrum auf wundersame Weise in einen Ärmel verwandeln würde? Vielleicht.
„Egal, ich zieh das durch!“ brüllte ich. Antje vom Lanade-Team, die etwas klüger ist als ich, musste den Ärmel gar nicht erst sehen. „Mach neu, das bereust du nur“, war ihr Urteil. „Niemaaals …!“, heulte ich. Und ribbelte den Ärmel wieder auf. Nähte zehn weitere Maschen zu. Strickte den Ärmel in Runden wieder dran. Den anderen genauso. Und war glücklich. Danke, Antje!
Die Moral von der Geschichte: Habt den Mut, vom Muster abzuweichen, aber habt keine Angst, Fehlentscheidungen wieder zu ribbeln. Ihr könnt dabei schäumen und toben wie ich es gerne tue, aber denkt daran, dass euch jede Katastrophe beibringt, es beim nächsten Mal besser zu machen. Und vergesst nicht: Es ist nur Wolle! Keiner wird umkommen. 😉
Anleitung: „Butterfly Heart“ von DROPS Design, Größe L
Garn: DROPS Belle, 10× Fb. 19, dunkellila
Nadeln: Rundstricknadeln und Nadelspiel in 3,5 mm
Hallo vielen Dank für Deinen Mut machenden Bericht sich nicht nur stur an die Anleitung zu halten , leider habe ich da oft nicht die Traute und bin dann doch mit dem Ergebniss sehr unzufrieden .
Der Pulli schaut toll aus , die Belle mag ich eh total gerne und auch die Farbe ist voll mein Ding
LG
Dein Pulli ist sehr gut geworden,auch eine tolle Farbe hast Du gewählt. Ich lese zwar auch immer die Anleitungen aber ich habe schon festgestellt , dass sie öfters sehr kompliziert geschrieben sind.So stricke ich dann so wie ich es denke. Also weiche ich öfters von den Anleitungen aus-Deswegen hätte auch ich unter dem Muster in Runden gestrickt-das geht schneller und man hat keine Seitennähte,
hallo ihr lieben lanadieres!
eure verlinkung geht zum butterfly top, nicht pulli. das ist dafur gleich auf meiner stricken-will-pinwand gelandet.
lg, nic
Schon korrigiert, danke dir 🙂
Das Modell habe ich auch schon bewundert. Danke Dir fürs Testen und für die herzlichen Lacher 😀
Ich hab es auch versucht mit dem Modell und dem wunderbaren Garn. Herrliches Grünlich-Blau. Aber nachdem die vordere Passe fertig war und das mit dem “Immer ein Auge auf der Vorlage haben” so weiter ging, habe ich nach einer Weile aufgegeben. Ribbeln also und neues Modell anfangen, diesmal “Come here” von Drops Design. In XL, weil ich sehr groß bin und 44/46 trage ist das schon mutig klein. Aber oh weh, jetzt habe ich einen Sackpullover für Riesen. Schade eigentlich.Das übrige Knäuel werde ich dann noch in die Länge investieren, damit sie zur Breite passt. Obwohl es schon weh tut, so einen mühseligen I-cord-Rand wieder aufzuribbeln.
Strickerinnen sind manchmal ganz schön tapfer.
Das ist das Schwierige mit voll ausgeschriebenen Modellen, man hat nicht so den Überblick. Sollte man jedes Modell auf ein Schema übertragen?
Ich schleiche schon länger um das Modell herum, jetzt werde ich es angehen. Die Variante mit den langen Ärmeln gefällt mir viel besser, hast du noch weitere Abnahmen gemacht?
Und noch eine Frage: wie viel mehr Garn brauche ich? Komme ich mit 2 Knäuel mehr aus?