Ich finde ja, mit Strickmode ist es wie mit dem Kochen. Selbstgemachtes ist einfach besser als das billige Fertigzeug. Und für jemanden, der es zu schätzen weiß, macht sowohl das Kochen wie auch das Stricken gleich doppelt so viel Spaß. Als mich vor einiger Zeit meine beste Freundin zaghaft gefragt hat, ob ich ihr denn unter Umständen irgendwann mal bei Gelegenheit vielleicht einen Cardigan stricken möge, habe ich deshalb Klar! geschrien und sie praktisch augenblicklich mit Musterheften und Garnproben überschüttet. Wie wär’s mit Lace? Wie wär’s mit Zopfmustern? Wie wär’s mit Zopfmuster-Lace in Fair Isle und handgefärbtem Noppenbommeltingeltangel? „Eigentlich dachte ich da an was Schlichteres …“ – Schlicht? Na gut, kann ich auch.
Das Garn und die Farbe waren schnell gefunden: Dunkelrot sollte die Strickjacke werden und in die Waschmaschine wandern können. Perfekt für die unverwüstliche DROPS Cotton Merino in Farbe 07, burgunder, das durch die ganz dezente Melierung eine tolle Farbtiefe hat, ohne unruhig zu wirken. Was die Anleitung angeht, war dieser Strickauftrag die perfekte Gelegenheit, um CustomFit auszuprobieren!
CustomFit ist ein Strickmustergenerator von Designerin Amy Herzog, der einige von euch bestimmt schon auf Ravelry oder in der gut sortieren Buchhandlung begegnet sind. Amy hat es sich schon in ihrem Buch Knit to Flatter (deutsch etwa Stricken um zu schmeicheln) zur Aufgabe gemacht zu zeigen, wie man ein Strickstück auf die individuelle Figur anpassen kann.
Mit CustomFit geht sie einen Schritt weiter. Der Benutzer erstellt einen Account, gibt seine exakten Körpermaße sowie die Maschenprobe des gewünschten Garns an, sucht sich ein Muster aus der CustomFit-Kollektion aus und erhält dann eine maßgeschneiderte Anleitung.
Keine unübersichtlichen Zahlenketten mehr à la „Jetzt 1 (2/3/4/5/6/7/99) Mal jede 10. (11./12./13./5363.) Runde abnehmen, außer Größen S/L/XXL, da genau umgekehrt“. Kein eigenhändiges Anpassen der Anleitung auf Körpermaße außerhalb der gängigen Standards. Kein Gegenrechnen bei jedem Schritt bei abweichenden Maschenproben. Klingt gut in der Theorie, oder? Fand ich auch. Und bin direkt zur Tat geschritten.
„New Towne“ heißt das Modell, für das sich meine Freundin entschieden hat – ein sehr alltagstauglicher, offener Cardigan mit Zierborte. Meine Maschenprobe hatte ich schon eingegeben, fehlten nur noch ihre Körpermaße. CustomFit nimmt die Sache sehr genau und fragt mehr Maße ab, als ich am menschlichen Körper hätte verorten können. Und dann noch ein paar mehr. Und dann das Ganze auch noch mal über den Rücken gemessen bitte.
Na gut, das Teil soll ja hinterher auch passen, ohne dass ich meine Freundin alle zwei Tage zur Anprobe antanzen lasse. Rückblickend wäre es aber vielleicht auch nicht mehr Aufwand gewesen, wenn ich einfach einen Ganzkörper-Gipsabdruck von ihr gemacht hätte.
Als alle Maße eingegeben waren, konnte ich endlich die Bestellung abschicken. CustomFit-Muster sind ein Häppchen teurer als der Durchschnitt, 12,50 US-Dollar wollte Amy Herzog haben für ein Muster, das nur für eine einzige Größe ausgelegt ist, dafür aber perfekt passen soll. Dafür stand das Muster dann aber auch sofort bereit, da das System alles automatisch ausrechnet und in ein hübsches PDF-Dokument gießt. Schlaue Amy!
Muster ausgedruckt, Nadeln und Wolle zur Hand, da kommt der nächste Dämpfer: Das wird ja in Einzelteilen gestrickt! „Ist das schlimm?“ fragt meine Freundin erschrocken, weil ich so ein langes Gesicht mache. Nee, nicht schlimm. Ein bisschen schmolle ich trotzdem heimlich.
Nach einigen Reihen gibt es schon wieder Grund für ein langes Gesicht meinerseits: Die Zierborte sieht oll aus. Das Muster soll zwar für jedes Garn geeignet sein, aber das Rosettenmuster funktioniert beim luftigen Alpaka-Garn von Amys Beispiel anscheinend einfach besser als bei meiner schwereren Baumwoll-Merino-Mischung. Och, CustomFit! Ich ribbele meine olle Borte und stricke sie nochmal im großen Perlmuster. Sieht fast genauso aus und rollt sich nicht ein. Schlaue Nina! Von jetzt an halte ich mich aber an die Anleitung, versprochen.
Nach der Borte geht es gut voran. Wider Willen gefällt es mir, die Jacke in Einzelteilen statt in einem Stück zu stricken, da werden Forschitte viel schneller sichtbar. Und der Gedanke ans Zusammennähen lässt sich noch ganz gut fernhalten. Ist ja noch lange hin …
Dann stockt der Strickspaß wieder: 40 cm zwischen Taille und Achsel soll ich stricken? Meine Vergleichsmessung an mir selbst ergibt für diese Strecke nur 20 cm. Gut, meine Freundin ist ein Stückchen größer als ich, aber so groß nun auch wieder nicht. Lässt die Anleitung uns geradewegs ins Verderben laufen? Ich habe dir vertraut, CustomFit!
Nachforschungen und -messungen ergeben: Es hat sich ein Zahlendreher beim Eingeben der Werte eingeschlichen. Und CustomFit hat sich brav mit der Anpassung des Musters an diese Werte gehalten, statt irgendwas in Richtung „Wat soll das denn fürn Lulatsch sein?!“ zu brüllen. Das ist natürlich schön für Leute, die außerhalb konventioneller Konfektionsmaße liegen, aber leider doof für Wurstfingerleute wie mich, die sich ganz gern mal vertippen. Zum Glück ließ sich die richtige Länge in diesem Muster ohne große Knobelei angleichen, es hätte also schlimmer kommen können.
Der Rest der Jacke strickte sich dann recht friedlich. Okay, bei den Ärmeln habe ich gemogelt, die habe ich bis zur Schulterkugel in Runden auf dem Nadelspiel gestrickt. Am Rundenübergang auf der Innenseite immer schön die erste Masche links stricken, sieht aus wie eine Naht und gibt noch einen Strich für mich auf der Liste Nina vs. CustomFit.
Und dann ist alles gestrickt und abgekettet und es führt kein Weg mehr dran vorbei: Jetzt wird zusammengenäht. Muss das sein? Es muss sein. Also los.
Generell hat das Stricken in Einzelteilen seine Vorteile. Die Nähte geben dem Kleidungsstück etwas mehr Halt, was gerade bei einem schwereren Garn wie der DROPS Cotton Merino hilfreich ist. Außerdem kann man mit den Seitennähten noch ein bisschen tricksen und noch mal Einfluss auf Breite, Taillierung und Ärmelöffnung nehmen. Nachteil: Es nimmt einen ganzen Batzen Zeit in Anspruch in einem Stadium des Projekts, in dem man eigentlich der Meinung ist, fertig mit dem Ding zu sein. Und es gibt mehr Fadenenden zu vernähen, aber das stört mich nicht so sehr.
Endlich ist der Cardigan fertig. Endlich kommt der Tag der Anprobe! Denn als maßangefertigte Anleitung sollte CustomFit das Anprobieren während des Strickens überflüssig machen, dementsprechend bekam meine Freundin ihre Strickjacke erst im komplett fertigen Zustand zum ersten Mal zu Gesicht. Bleibt nur noch zu hoffen, dass ich nicht noch mehr Werte beim Eingeben verdreht habe …
Passt, gefällt und sieht super aus! Danke, CustomFit!
Anleitung: „New Towne“ von Amy Herzog
Größe: Maßanfertigung nach CustomFit
Garn: 12× DROPS Cotton Merino in Fb. 07, burgunder
Nadeln: KnitPro Symfonie Rundstricknadel in 3,5 mm, Wollnähnadel
Mein Fazit: CustomFit ist eine gute Sache, wenn man …
- mit gängigen Passformen unzufrieden ist
- und/oder keine Lust auf Rechnerei hat
- viel Geduld beim Maßnehmen und -eingeben mitbringt
- und etwas mehr Geld für eine Anleitung zu zahlen bereit ist
Ich selbst komme eigentlich mit den Anleitungen vom Massenmarkt und etwas Knobelei sehr gut zurecht, bin aber trotzdem versucht, mir auch noch selbst eine Anleitung von CustomFit bauen zu lassen. Vor allem hoffe ich, dass Amy Herzog das Angebot der verfügbaren Anleitungen noch weiter ausbaut und ein paar außergewöhnlichere Modelle hinzufügt. Ihr wisst schon, irgendwas mit Noppenbommeltingeltangel oder so.
Ganz herrlich geschrieben!
Sieht richtig gut an deiner Freundin aus
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Danke, gebe ich ihr gerne weiter! 🙂
Hallo Nina,
wieder so ein flott geschriebener Beitrag von Dir ( Du wirst es vielleicht etwas anders sehen ) aber mir gefällt er sehr gut. Die Jacke sieht prima aus, vor allem die Bordüre rings herum um den Ausschnitt lässt die Jacke erst richtig flott wirken und die Farbe gefällt mir sehr gut.
Ja, die Farbe ist der Hammer, oder? Meine Freundin ist aber auch echt geboren, um Dunkelrot zu tragen! 🙂
Was für ein spannendes Angebot, bon CustomFit hatte ich bislang noch nicht gehört. Vielleicht probiere ich das auch irgendwann mal aus…
Herrlicher Beitrag! (Schlaue Nina)!!
Ich glaube, ich bin zu faul, mich komplett zu vermessen – bzw. vermessen zu lassen, ansonsten würde ich mir gern den Bourrasque für mich errechnen lassen…
Man kann sich ja auch aus dem Baukasten was komplett eigenes designen lassen, wirklich eine clevere Idee. Danke Dir also für das Stupsen auf Amy Herzog, vielleicht hole ich doch mal das Maßband raus..
Liebe Grüße, Claudia
P.S. Der rote Cardigan ist superschön geworden!
Vielen Dank, Claudia. 🙂
Die Messarbeit lohnt sich definitiv, außerdem hat man dann die Maße auch direkt für andere Projekte zu Hand. Ich habe auch schon überlegt, mir einfach noch eine Strickjacke oder einen Standard-Pullover für meine Maße und meine am häufigsten erreichte Maschenprobe erstellen zu lassen, die ich dann als Vorlage für Eigenkreationen nutzen kann.
Wirklich cool, kannte ich noch gar nicht 🙂
Es sind wirklich umfangreiche Maßabnahmen nötig… manche verstehe ich noch nicht so richtig auf den ersten Blick, vor allem bei den Extra Maßen.
Toller Tipp trotzdem danke!
Ich habe im Nachhinein entdeckt, dass die Designerin Videos auf YouTube veröffentlicht hat, auf denen sie zeigt, was man wie misst. Das hilft ungemein. 😉
Sorry, aber die Schultern sitzen mal so gar nicht!
Messfehler oder SOLL das so?
Vielen Dank für diesen wirklich sehr interessanten Bericht!
… und die Jacke sieht klasse aus.