Heute möchte ich euch eines unserer neuen Sandnes-Garne vorstellen. Aber bevor ihr euch kennenlernen dürft, machen wir erst noch etwas Fadenlehre. Wir haben euch schon mal etwas über verschiedene Fasern und deren Verarbeitung erzählt und auch schon den Unterschied zwischen Single/Dochtgarnen und verzwirnten Garnen erklärt. Aber wusstet ihr, dass es auch unter den verzwirnten Garnen noch eine Menge Unterschiede gibt? Und damit meine ich nicht Material, Stärke oder Lauflänge, sondern die Herstellung des Fadens. Neugierig? Dachte ich mir doch!
Die Theorie
Heute erzähle ich euch etwas über Kammgarn und Streichgarn. Kammgarn ist glatt, stark und der Faden enthält wenig Luft zwischen den Fasern. Diese Wolle wird zum (industriellen) Weben von Wollstoffen verwendet und sehr viele industriell hergestellte Handstrickgarne sind ebenfalls Kammgarn.
Streichgarn ist luftiger als Kammgarn, der Faden ist unregelmäßiger und hält (als einzelner Faden) nicht so viel Belastung stand wie ein Kammgarn. Wenn ihr, wie ich, zu den Faulpelzen ökonomischen Menschen gehört, die den Faden mangels bereitliegender Schere einfach abreißen, merkt ihr schnell den Unterschied. Aus Streichgarn gestrickte Teile sind luftig leicht, halten wunderbar warm und sind sehr langlebig. Hier und hier könnt ihr noch mal meine ultimativen Lobhudeleien über die beiden bereits länger im Sortiment befindlichen Streichgarne nachlesen.
Die Herstellung
Aber was ist denn nun der Unterschied zwischen Kammgarn und Streichgarn? Wie kommt es dazu? Und warum heißen die so? Alles steht und fällt mit der Vorbereitung der Fasern vor dem Spinnen. Wenn Rohwolle in die Fabrik kommt, wird zu zunächst gereinigt und dann kardiert. Kardieren (oder auch Kratzen, Streichen) bedeutet, dass die Wolle zwischen zwei gegeneinander drehenden Drahtbürsten gebürstet wird, um die Fasern voneinander zu lösen und letzte Reste von Vegetation aus der Wolle zu entfernen.
Am Schluss des Kardierprozesses sind die Fasern voneinander getrennt, kleben nicht mehr zusammen und zeigen alle etwa in die gleiche Richtung. Sie liegen aber higgeldi-piggeldi über-unter-umeinander. Lange und kurze Fasern sind in so einem kardierten Vlies enthalten und natürlich ganz viel Luft. Und eventuell noch ein paar allerletzte Pflanzenreste.
Die Wolle ist nun bereit, ein Streichgarn zu werden! So versponnen wird viel Luft mit eingearbeitet, der Faden wird sehr leicht, je nach Wolle robust im Griff und etwas unregelmäßig. Streichgarne in unserem Shop sind die BC Bio Shetland, die BC Loch Lomond BC Semilla Pura und Melange und – ganz neu im Sortiment – jetzt auch die Sandnes Tove! Dazu gleich mehr.
Für ein Kammgarn muss die Wolle nach dem Kardieren noch gekämmt werden. Hierbei werden alle Fasern ordentlich und eng parallel zueinander gelegt, kurze Fasern und die eventuell noch vorhandenen letzten Pflanzenreste, die das Kardieren überlebt haben, werden aussortiert, alles in Reih und Glied hier. Der so gesponnene Faden enthält wenig Luft, ist gleichmäßig, widerstandsfähig und langlebig.
Der Unterschied ist ungefähr so, als würdet ihr morgens nach dem Aufstehen zwei, drei Mal mit der Haarbürste über den Kopf fahren, oder den kompletten, widerspenstigen Schopf ordentlich Strähne für Strähne auskämmen. Im ersten Fall könnt ihr euch einen „messy bun“ machen oder auch einen locker geflochtenen Zopf. Aber ordentlich und glatt wird es so nicht. Nach gründlichem Auskämmen dagegen steht auch aufwendigen Flechtfrisuren nichts mehr im Wege.
Hier könnt ihr den Unterschied sehr gut sehen. Wobei ich etwas geschummelt habe, denn ich habe einen Kammzug (Malabrigo Nube, Fb. 043, Plomo) einmal durchs Kardiergerät gezogen. Pflanzenreste und kurze Fasern sind hier nicht mehr drin, aber man sieht sehr schön, wieviel voluminöser die Wolle dadurch geworden ist.
Und noch mal als Faden:
Hier habe ich für euch jeweils ein Streichgarn und ein Kammgarn in vergleichbarer Stärke untereinander gelegt. Seht ihr den Unterschied? Wenn jetzt jemand schnell noch das Fühl-Internet erfinden könnte, bitte?
Die Praxis
Und wie hilft uns das jetzt bei der Garnwahl für unser nächstes Projekt? Ich sag mal so:
- Wenn ihr euch einen Pullover für die Ewigkeit stricken möchtet, nehmt ein Streichgarn: Durch die Struktur des Streichgarnes kleben sich die Maschen nach und nach etwas zusammen und lassen sich nach ein paar Jahren gar nicht mehr ribbeln. Entsprechend zieht man sich auch keine Fäden und: bis das Gewebe durchgescheuert ist … dauert.
- Wenn ihr einen sehr leichten Pullover stricken möchtet, nehmt ein Streichgarn: Es ist sehr viel Luft im fertigen Faden, deshalb ist das Garn und somit auch der fertige Pullover wunderbar leicht, aber trotzdem wärmend.
- Wenn ihr Fair Isle stricken möchtet, nehmt ein Streichgarn: Die einzelnen Maschen sind klar definiert, sie behalten ihre Form und Einstrickmuster kommen hervorragend zur Geltung.
- Wenn ihr etwas gegen starkes Pilling habt, nehmt ein Streichgarn und verstrickt es fest: Streichgarne pillen eigentlich stärker als Kammgarne, jedoch lösen sich, bei fester Strickweise, die Flusen nicht so schnell aus dem Gestrick, sondern werden eher dort fest gehalten und fügen sich völlig harmonisch und unauffällig ins Gesamtbild. Wird ein Streichgarn locker verstrickt, pillt es stärker. Aber auch Streichgarne können problemlos von Zeit zu Zeit rasiert werden.
Das Projekt
Das alles sind Gründe, warum ich Streichgarn so sehr liebe! Zum Testen unseres neuesten Streichs (pun intended), der Sandnes Tove, habe ich die Endpaper Mitts gestrickt. Das Ergebnis überzeugt mich absolut, das Maschenbild ist klar und definiert, das grafische Muster kommt super zur Geltung! Die Mitts sind etwas robust im Griff, ich habe sie eng und fest verstrickt. So sind sie nicht schmusig weich, aber halten dafür einige Runden am Fahrradlenker oder beim Schleppen von Gemüsetüten Projekttaschen aus.
Anleitung: Endpaper Mitts von Eunny Jang
Garn: Sandnes Tove Farben 1035, hellgrau meliert und 6364, dunkelblau
Nadeln: ChiaoGoo Rundnadel Edelstahl „Red Lace“ 100 cm, 2,5 und 3,0 m
Modifikationen: normaler Kreuzanschlag, 1-zu-1-Bündchen oben und am Daumen
Wird ein Streichgarn lockerer verstrickt, hat es mehr Platz sich zu entfalten und wird nach dem Waschen ziemlich anschmiegsam und voluminös. So kann man auch herrliche Tücher und kuschlige Mützen daraus arbeiten. Sandnes Tove liegt von der Lauflänge mit 160 Metern auf 50 Gramm zwischen J&S und Loch Lomond, ist mit 3,95 € je 50 Gramm absolut erschwinglich und somit die perfekte Ergänzung für meinen nun vollständigen Streichgarn-Himmel im Lanade-Shop.
Da stricke ich schon seit über 30 Jahren und bei Euch lerne ich immer noch so viel Neues über Wolle. Heute Mittag hat mir der Postbote gerade ein grünes Päckchen mit der Sandnes Tove in ziegelrot gebracht. Daraus wird eine schöne Decke für die Couch!
ein perfektes Projekt für dieses Garn! Ganz viel Spaß!
Vielen Dank für den tollen Bericht!
Ich habe aber mal eine Frage. Du schreibst von sehr leichten Pullis aus Streichgarn. Aber im Vergleich Tove mit Cheeky Merino Joy sehe ich gleiche Lauflänge und gleiche Maschenprobe. Damit benötige ich doch für einen Pulli auch dieselbe Menge Wolle und habe dann doch keinen Gewichtsunterschied. Habe ich jetzt hier einen Denkfehler?
Hallo Daniela, die Angaben vom Hersteller zur Maschenprobe sind immer nur ungefähre Richtwerte und werden oft auch automatisch anhand der Lauflänge generiert. Wenn Du mit Tove eine identische Maschenprobe erreichst wie mit Cheeky Joy, ist auch der Verbrauch gleich, das ist klar. Kein Denkfehler hier 😉 Allerdings kannst du ein Streichgarn auch prima mit einer größeren Nadel verstricken, ohne dass es labberig wird. Cheeky Joy zum Beispiel würde ich für einen Pullover niemals mit einer 4,0 mm Nadel stricken, Tove hingegen schon. Die plustert sich nach dem Waschen noch gehörig auf und die relativ unregelmäßige Struktur (guck noch mal auf das Vergleichsbild) sorgt dafür, dass sich die Maschen schön ineinander haken. So brauchst du dann auch weniger Garn für den gleichen Pullover, trotz identischer Lauflänge.
Hallo Sarah, vielen Dank für die schnelle Antwort.
Jetzt muss ich doch tatsächlich mal mein “Strickverhalten” überdenken. Ich habe mich bisher meist an die vorgeschlagene Maschenprobe des Herstellers gehalten…
Vielen Dank für das Vorstellen und vergleichen der Garne. Ich finde, das hört sich echt gut an. Das heißt ja dann, ich kann die Tove auch sehr gut für Kate Davies Modelle verwenden. Ich verstricke gerade ein Mitbringsel aus Dänemark, “danskpelsuld von Hjelholt’s. Dann wohl auch , nach deiner guten Erläuterung,ein relativ raues Streichgarn mit langer Lauflänge, 400m/100g, das ich mit 3,5 verstricken kann.Klasse Garn. Ich find’s super und werde gerne die Tove mal ausprobieren…Ich freue mich immer über die tollen Berichte in eurem blog.♥
Oh ja, eine gute Idee! Kate + Tove = Big Love!
Heute habe ich mein grünes Päckchen bei der Post abgeholt ;). Größe Freude: Das Tove Garn ist wunderschön in Farben Und Material. Und das Pom Pom Magazin vom.letzten Frühling trifft total meinen Geschmack, toll zum Schmökern und Planen. In Gedanken habe ich schon wieder mindestens drei neue Projekte geplant.
Vielen Dank dafür
(beim Lesen des Magazins……
Das Garn aus Portugal von Rosa Pomar muss auch toll sein, habe ich jetzt schon öfter drüber gelesen. Vielleicht ist das auch was für euren Shop, da ihr ja auch auf “Handfärbung” steht, ; )), moderater Preis und vor allem regional und mulesingfrei würde das zu eurem Sortiment passen. )
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag und die vielen Hintergrundinformationen. Ich finde es super, dass man bei euch immer so viel lernt. Ich überlege gerade, mit der Tove einen Pullover zu stricken, bin aber nicht sicher, ob der nicht etwas kratzig wird? Leider bin ich da ein bißchen empfindlich.