Wenn es ums Stricken geht, habe ich mir in einer stillen Stunde mal so überlegt, hat eigentlich jeder von uns eine große Stärke und eine große Schwäche, oder? Manche können rasend schnell stricken, verlieren aber immer wieder Maschen. Manche können in den wildesten Lace-Charts den Überblick behalten, verzweifeln aber fast am Vernähen der Fäden. Manche haben ein fantastisches Farbgespür, vertun sich aber immer mit der Maschenprobe. Wie wir unsere Stärken ausspielen und unsere Schwächen umgehen, ist dann genau das, was unseren persönlichen Strickstil und unsere Strickprojekte ausmacht – eigentlich eine wunderbare Sache, oder?
Wenn ich meine größte Stärke benennen müsste, würde ich sagen: Ich bin extrem begeisterungsfähig. Meine größte Schwäche: Ich bin extrem begeisterungsfähig. Das ist der Grund, warum ich mich immer wieder mit viel Elan in neue Projekte stürze, die ich dann nach Kurzem bitter bereue – nur um dann gleich darauf eine ähnlich unüberlegte Entscheidung zu treffen. Ein Beispiel gefällig? Lest einfach mal die Einträge in meinem Stricktagebuch zu meinem letzten Projekt …
3. April: Liebes Stricktagebuch, Caro hat mir heute erzählt, dass wir bald die Madelinetosh Prairie ins Sortiment aufnehmen. Lacegarn! In allen Madelinetosh-Farben! Ich will sie alle haben! Aber was stricke ich damit? Auf zu Ravelry!
4. April: Habe mich mit unmenschlicher Mühe für eine einzelne Farbe entschieden: Chamomile! Ich wollte doch eh mal wieder was in Gelb stricken und dieses Gelb ist ganz besonders sonnig. Das Projekt meiner Wahl: Der Whippet-Cardigan von Ankestrick. Das wird so super!
7. April: Das Garn ist angekommen! Madelinetosh Prairie fühlt sich etwas fester an als Malabrigo Lace, ist aber auch ein Dochtgarn und damit sehr weich. Die Farbe: Ein leuchtendes Sonnengelb mit leichten Variationen ins Orangegelb. Bei der Maschenprobe erreiche ich nicht ganz die Vorgabe für den Cardigan, dafür stricke ich einfach eine Nummer größer. Jetzt wird erstmal Wolle gewickelt, dann geht es los.
8. April: Gestern bis spät in die Nacht gestrickt. Heute morgen das Strickstück gemessen: etwas über 3 cm. Tja, das Garn ist halt dünn. Aber ich habe dieses Wochenende nichts anderes vor. Powerstricken!
10. April: 7 cm. Hmpf. Aber dieses Sonnengelb macht wirklich Spaß.
13. April: Habe mich heute beim Stricken mit dem Lace-Garn dabei ertappt, wie ich an dicke Winterwolle gedacht habe. Ach, jetzt so einen Pullover mit Nadelstärke 7 stricken … naja, zurück zur Madelinetosh Prairie.
14. April: 7,5 cm nach 7 Tagen? Im Ernst, Madelinetosh? Im Ernst?!
16. April: Liebes Tagebuch, ich hatte einen seltsamen Traum. Ich habe geträumt, ich wollte einen Sommercardigan aus sonnengelbem Garn stricken und ich habe gestrickt und gestrickt, aber der Cardigan wurde einfach nicht länger … oh Gott, das war kein Traum! Neiiin …!
18. April: 10 cm. Ich hasse Stricken. Ich hasse mein Leben. Ich hasse alles. Aber diesen Cardigan stricke ich zu Ende. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!
22. April: Bin überraschend an der Stelle des Cardigans angekommen, an dem die Ärmelmaschen stillgelegt werden, der glatt rechts gestrickte Teil beendet ist und das Lacemuster beginnt. Halleluja!
23. April: Lace-Teil des Cardigans ist fertig. Das hat Spaß gemacht! Ob ich heute noch das Abschlussbündchen schaffe?
26. April: So, die Ärmel sind jetzt auch dran. Ich habe mich für halbe Länge entschieden, weil der ganze Cardigan sehr kurz und leicht ist. Dadurch ging auch das jetzt sehr schnell. Nun werden nur noch die fünf oder sechs Fäden vernäht, dann wandert das Teil in die Badewanne und wird zum Trocknen hingelegt.
28. April: Der Cardigan ist trocken und ich habe ihn heute zum ersten Mal getragen. Ich liebe dieses Garn! Es ist federleicht, hat ein tolles Maschenbild und ist perfekt für einen Sommercardigan. Das ist das tollste Teil, das ich je gestrickt habe! Ich will noch einen stricken!
Anleitung: Whippet von Ankestrick, Größe L (um die Maße für M zu erhalten)
Modifikationen: Lochmuster auf beiden Seiten der Blende, halblange Ärmel
Garn: circa 150 Gramm Madelinetosh Prairie in Chamomile
Nadeln: KnitPro Symfonie Rundstricknadeln und Nadelspiele in Nadelstärken 2,5, 3,0 und 3,5.
03. Mai: Liebes Tagebuch, ich stricke jetzt schon seit fünf Tagen an meinem zweiten Whippet, habe aber erst 3 cm geschafft. Seltsam …
sehr schöne Farbe und sehr tragbar und kleidsam. Du wirst daran lange Freude haben, denn diese leichten dünnen Garne passen zu jeder Jahreszeit, sie gehen auch unter Herbstjacken.
Bin selbst notorische DK/Fingerringstärkenstrickerin. Es kostet mehr Zeit und Arbeit, aber die Teile gehen immer, während man die dicken umd ggfs. bunten Garne ganz schnell über hat.
Bin gespannt auf Deinen nächsten Whippet
PS: ich quäle mich gerade mit einem Sommerpulli aus BW in 3,5er. Das ist wie Paketschnur im Vergleich zu DK. Und schneidet so doof in den linken Zeigefinger beim schnellen Stricken.
ich kann es kaum erwarten, den Lente anzufangen, hier schaut mich Drops Kidsilk an in apflegrün und diversen rosa Tönen, das gibt ein Tuch in Pfingsrosenfarben, lechz….
Hallo Britta,
ahhhrgh ja, einschneidende Garne sind gemein. Ich hatte mal einen richtig blutigen Striemen am Zeigefinger, nachdem ich mit feinem, festen (Fremd-)Garn gestrickt habe. Manche behelfen sich da präventiv mit Pflastern und Gewebeschlauch-Stücken, aber das geht dann auch immer zu Lasten der Fadenkontrolle. :-/
Liebe Nina , die Mühe und das Durchhalten haben sich gelohnt , toll geworden !
Dankeschön! Ich hatte ein ermutigendes Vorbild 😉
Ganz toll geworden! Ich stricke selbst gerade den Featherweight Cardigan aus der Malabrigo. Tja, der Körper ist schon ne Weile fertig, ging Dank 4,5 mm Nadeln auch recht flott, aber jetzt sind die Ärmel dran. Einen halben habe ich schon, aber dank alternierender Garne gerade absolut keine Lust mehr. Zwischendrin habe ich schon ein Tuch gestrickt und stricke derzeit schnell noch ein anderes Oberteil fertig. Aber dann kehre ich zurück zum Lace – ganz bestimmt.
Toll, dass du deinen in 3 Wochen fertig hattest!!
Ich kann selbst kaum glauben, dass ich nur 3 Wochen gebraucht habe. Es hat sich mehr nach 3 Monaten angefühlt … 😉
Zwischendurch mal etwas anderes stricken ist da echt eine gute Strategie. 🙂
Wow, die Farbe ist traumhaft!!
nee nee, bei so einem feinen Teil nichts zwischendurch,´zumindest nicht ohne Fertigstellung eines kompletten Abschnitts.
Ich kann aus Erfahrung sagen, daß sich die Motivation, aber auch die Handfertigkeit ändert, wenn man zwischendurch etwas anderes genadelt hat. Das sieht man hinterher.
Bei richtig aufwändigen Ajourmustern kann man das machen, aber nicht, wenn man bei dünnem Garn nur glatt rechts strickt.
Der Whippet ist klasse geworden und sieht toll an Dir aus. Vor allem mal etwas anderes mit dem Abschluss vorn und die Farbe der Sonne ist sehr schön. Ja, die dünne Wolle hat es so in sich, man strickt und strickt und hat das Gefühl nicht vom Fleck zu kommen. Ich stricke dann auch zwischendurch etwas Anderes, mit einer stärkeren Nadel. Damit entlastet man auch die Hände.
Jetzt geht es mir gerade genauso. Ich stricke von Malabrigo Sock ein Tuch mit viel Lochmuster und zwischendurch habe ich einfach Filzpantoffeln gestrickt. Danach am Tuch weiter gearbeitet und schon habe ich wieder mehr Bock auf das Tuch stricken.
Aber auch ich bin gespannt auf Deinen nächsten Whippet.
Ich liebe große Pullis auf 2.75mm Nadeln. Entspanntes stricken, das Ergebnis sieht modern aus und man kann sich was teureres leisten als in nen dickeren Garn (cashmere anyone?)
Meine letzten 4 Oberteil hab ich aus fingering weight gestrickt, seit Weihnachten
Wie du sagst, wenn man mal angefangen hat will man mehr 🙂
Hi, Katrin,
stimme Dir voll zu. Die Ergebnisse sehen modern und modisch aus, weil sie eben aus dünnen Garnen sind, locker sitzend gestrickt werden können und nicht so ökomäßig und plakativ selbstgestrickt daherkommen. Das macht die Stücke zeitlos und immer tragbar.Und sie sind auch nicht so schwer. Bei großen Größen sind dicke Garne fast unmöglich, weil man bei dicken Garnen über 1 kg Wolle an sich hängen hat, und das ist nicht nur unbequem und schwer, sondern hängt sich total aus. Mal abgesehen von der Optik eines gestrandeten Wales, der von Greenpeace in nasse Decken gewickelt wurde….
Vielen Dank, Britta. Der Vergleich mit dem Wal ist super, das werde ich bei Gelegenheit zitieren! X-D
schaut soooo super aus… meinst du, dass man den auch in baby merino von drops sticken kann? is eben n hauch dicker…
Hallo Eva,
Baby Merino sollte wunderbar funktionierten! Du musst vermutlich ein bisschen an der Anleitung schrauben, um deine Maschenprobe zu berücksichtigen. Aber die Abweichung zur vorgesehenen MaPro von 24 oder 25 Maschen ist vermutlich sogar niedriger als bei meiner Tosh Prairie! Aus Drops Flora stelle ich mir das Teilchen übrigens auch sehr schön vor … 😉
Wir haben gerade die richtigen Temperaturen für das schicke Teil. Ich vermisse in meiner Garderobe eine leichte Jacke und Baumwolle ist immer so schwer: Lace ist eine gute Alternative. Aber ich habe leider nicht dein Durchhaltevermögen.
Hallo Nina, wie sieht das Strickstück denn so nach einem Jahr aus? Pillt die Prairie sehr, oder hält es sich in Grenzen? Würdest du das Garn immer noch für den Sommer nehmen, oder lieber für Frühjahr/Herbst? Liebe Grüße, Kathi
Hallo Kathi,
lustig, dass du fragst – ich hatte den Prairie-Whippet erst letztens wieder an, als ich zu einer Hochzeit eingeladen war! Von daher kann ich sagen, dass das Garn absolut sommertauglich ist, solange es nicht 30 Grad im Schatten sind. Für Frühling oder Herbst ist es mir persönlich zu dünn, aber ich bin auch eine Frostbeule- 😉
Leichtes Pilling ist nach einiger Zeit des Tragens leider unvermeidbar, wie bei jedem Single-Ply-Garn. Hielt sich aber alles in Grenzen und war nach einer kurzen Runde mit dem Fusselmäher behoben. Für Kleidungsstücke finde ich die Prairie insgesamt die optimale Lace-Wahl, für Tücher dagegen gefällt mir die noch ein kleines bisschen weichere (und daher noch etwas pillinganfälligere) Malabrigo Lace besser.